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Concours d'écriture (2nd Prize) - Verlorene Liebe

Verlorene Liebe

Inspired by the song "Breathe Me" by Aiden Grimshaw



Es war ungewöhnlich, wie er sich an diesem Morgen fühlte. Abgesehen davon, dass er nicht hungrig war, konnte er schwören, dass er sich nicht daran erinnerte, aufgewacht zu sein, oder wie er vor das Küchenfenster mit Blick auf die Felder kam. Draußen war ein dichter Nebel, als ob er ihn vom Rest der Welt schützen wollte. „Die Luft fühlt sich heute still an“, dachte er sich. Jedenfalls beschloss er, dieses Gefühl des Unbehagens zu ignorieren und stattdessen ins Wohnzimmer zu gehen. Schließlich war er den ganzen Weg in sein Landhaus gereist, um etwas Zeit für sich zu nehmen und die Hektik des Stadtlebens zu vergessen.


Er saß auf der Couch neben dem erloschenen Kamin aus der Nacht davor, der jetzt elend aussah, eingehüllt in das blasse weiße Licht, das von den nebligen Maisfeldern durch die dünnen Gläser der Fenster kam. Er streckte sich nach links, um nach einem Notizbuch auf dem Wicker-Beistelltisch zu greifen. Er hatte ein paar dieser Notizbücher über das ganze Haus verstreut, wie mit den Zimmern in seiner Stadt-Wohnung. Als Songschreiber wusste er, wie flackernde Inspiration war, so unberechenbar zu kommen und so einfach zu gehen. Aber als sie kam, musste er bereit sein, sie zu ergreifen. Gerade als er es auf seinem Schoß ruhte, kam ein plötzlicher Gedanke aus der Nacht zuvor an die Oberfläche: Er hatte in seinem Schlafzimmer geschrieben. „Das erklärt meinen Schwindel“, ein Lächeln auf seinem Gesicht. Es war nicht das erste Mal, dass er lange wach blieb, bis er erschöpft auf seinem Notizbuch ohnmächtig wurde.


Mit einem schnellen Sprung stand er auf und rannte durch den Korridor zum Schlafzimmer, jetzt belebt, schwerelos. „Oh hier, lass mich sehen“, flüsterte er, der unordentliche Schreibtisch vor ihm. Als er sein anderes Notizbuch gefunden hatte, saß er auf dem Bett, um zu sehen, wie der neue Song rauskam. Der Liedtext begann mit „Help, I have done it again. I have been here many times before”. „Hilfe? Was hab ich dann getan“, flüsterte er wieder, diesmal mit einem Hauch von Not in seiner Stimme und nicht wirklich verstand, wo „hier“ war. Es fehlte aber noch etwas, etwas, das vielleicht der jetzt durchnässte Teppichboden erklären könnte. Aber der Liedtext saugte weiterhin seine Aufmerksamkeit weg, der über eine vergessene wenn auch intensive Liebe sang, und er evozierte eine so vertraute wiegende Aura der Melancholie, dass der Song perfekt für den Soundtrack eines Liebesfilms gewesen wäre, dachte er, und er war so hingezogen, dass er ihn vielleicht sogar selbst gesungen haben könnte.


Allerdings lag der Liedtext auf dem Schreibtisch bis zu dem Tag, an dem er gefunden wurde, und er schaffte es schließlich auf die Leinwand, wenn auch nicht von ihm gesungen. Doch er hatte sich ganz darauf eingestellt, dass seine Gefühle tatsächlich so kraftvoll durchschritten wurden, dass man sie fast berühren konnte, und viele konnten sogar schwören, seine Stimme zu hören, während sie die Schallplatte in ihren Häusern spielten, die über seine verlorene Liebe sang.



Text by Andrea Lepri (Edinburgh Napier University)

Poster and chocolate bar wrapper by Jarrett Hiles




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